Aktion Bauernpraxis

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Publish date

03/08/1984
Aktion Bauernpraxis

Mitinitiator der Aktion Bauernpraxis 1984

Artikel aus: Lebenszeichen – Initiativen aus dem Waldviertel
Text Peter Sitzwohl, Fotos Dieter Kurzmann; Hsg. Waldviertler Bildungs- und Wirtschaftsinitiative BWI, 1985

Der Bauer, der sich abrackert, der Arbeitslose, der mit leeren Händen dasteht

AKTION BAUERNPRAXIS
BWI, Körnermarkt 4,3542 Gföhl
Arbeitslose – bis zu 15 – arbeiten bei Bauern
Förderung durch Arbeitsmarktverwaltung

Das Bild hat mir einfach gefallen: Auf der einen Seite der Bauer, der sich abrackert, auf der anderen Seite der Arbeitslose, der mit leeren Händen dasteht. (M. Loidl)

Die Zeichnung, die Maria Loidl, Bäuerin aus Mittelbergeramt bei Gföhl, beschreibt, diente als Signet für ein Flugblatt, das über die ,,Bauernpraxis informierte. Dem Jungbauern Leonhard Loidl gefällt schließlich, was er über das Projekt bei Toni Rohrmoser erfährt. Die Bauersleut entschließen sich mitzumachen.

Das ist derzeit die beste Hilfe, die es für einen Waldviertler Bauern gibt. (L. Loidl)

Arbeitsamt und Sozialministerium tragen die Hälfte der Lohn- und Lohnnebenkosten für eine Arbeitskraft, die der Bauer anstellt. Die Aktion ist auf 20 Monate befristet. inklusive Probezeit und zweimonatiger Schulung.

Willibald Binder, 20, nicht weit vom Loidl-Hof zu Hause, hat in einem Sägewerk gearbeitet. Er verliert den Job, steht eine Zeit ohne Arbeit da.

Heute arbeitet er 40 Stunden in der Woche auf dem 15 Hektar großen Bauernhof, Entlohnung laut Kollektivvertrag. Die 5 000 Schilling erschienen ihm am Anfang wenig. Allerdings isst er mit den Bauersleuten – und der Lohn kann noch steigen, wenn Willi, wie er von allen auf dem Hof gerufen wird, sich eingearbeitet und die Ausbildung zum Landarbeiter abgeschlossen hat.

Der Kurs, der im Jänner und Feber abgehalten wird, ist ehrgeizig konzipiert. Die Leute sollen eine Menge an praktischen Fertigkeiten lernen, die sie später in ihrem Leben im Dorf immer wieder benötigen werden…..wie das Zerteilen einer Sau, oder den Traktorführerschein machen. Aber auch Persönlichkeitsbildung, Agrarpolitik und Grundfertigkeiten stehen auf dem Programm. (Schneider)

Willi Binder, der selbst von einer kleinen „Wirtschaft“ kommt, hat sich gut eingearbeitet. Er ist geschickt, kann überall zugreifen: bei der Ernte, bei den Bauarbeiten für ein neues Wirtschaftsgebäude, beim Apfelpressen – und er fährt auch auf den Markt nach Wien.

Wenn es Probleme gibt, ruft der Bauer oder der Arbeitnehmer die Projektbegleiterin Dr. llse Strobl zu Hilfe.

Wenn es Streit gibt, versuch ich abzuwägen, ob da noch etwas zu kitten ist.. .  Meistens wissen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ohnehin schon, ob sie das Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten wollen oder nicht. Der Bauer ist ja auch nicht die Caritas. Er nimmt den Arbeitnehmer ja nicht, weil er ein armer Jugendlicher ist. Er nimmt ihn als Arbeitskraft. (Dr. Strobl)

Am Anfang war das Bestreben, Langzeitarbeitslose aus sozialen Randgruppen anzustellen.

Da sind große Probleme angefallen, da das Arbeitsverhältnis einfach nicht geklappt hat. Wobei der Bauer ohnehin tolerant ist. Wir wollten diesen Leuten einen Arbeitsplatzgeben. Leider ist das nicht gegangen. (Dr. Strobl)

Bis zu 15 Arbeitslose, die bereit sind, überall am Bauernhof zuzugreifen, sollen einen Platz bei Bauern finden. Wie gesagt, zunächst befristet auf 20 Monate. So lange läuft die Unterstützung. Das Ziel ist, Dauerarbeitsplätze zu schaffen, wenigstens für die Hälfte der Landarbeiter.

Ich glaub, das ist auch zu erreichen. Noch etwas erwarte ich: dass viele Leute, die noch nie in einem Arbeitsverhältnis gestanden sind und die man dazu bringt, dass sie längere Zeit arbeiten, dass die in ein soziales Netz eingebettet werden. Dass sie sozialversichert sind. Das wär auch ein Ziel. Weiters, dass die Leute eine Ausbildung bekommen. Und sagen, dass die Arbeit beim Bauern nicht das Letzte ist. (Dr. Strobl)

Die Betreuung reicht von den Formalitäten, über das Schlichten von Konflikten, bis zur Betriebsberatung.

Ich hab die Erfahrung gemacht, dass ein unheimliches Bedürfnis von Seiten der Bauern nach Betriebsberatung besteht. Sie wollen ihren Hof umstrukturieren, aber es kommt kaum jemand vorbei, der sie berät. (Dr. Strobl)

Ein Beispiel: Der Most, ein uraltes Waldviertler Volksgetränk, ist in Verruf gekommen, weil nur der etwas gilt, der Wein und Bier zu Hause hat. Leonhard Loidl ist dem Most treu geblieben. Zusätzlich geärgert hat er sich darüber, dass die Apfel nicht zu verkaufen sind und verfaulen. Also hat er immer mehr gepresst und ist mit verschiedenen Mostsorten auf Bauernmärkte gefahren – mit Erfolg. Heute kauft er schon Obst zu. Er eröffnet einen Mostheurigen und will den Handel beliefern. Wenn sich dieses Projekt, vielleicht mit anderen Bauern zusammen, ausweiten Iässt, dann könnte für Willi Binder ein Dauerarbeitsplatz herausschauen.

Wir wollen, dass sich der Betrieb die Hilfskraft länger als 20  Monat leisten kann. Das geht aber nur, wenn ein zusätzliches Einkommen erwirtschaftet wird. Da muss Beratung einsetzen, die solche Wege aufzeigt….  Möglichkeiten alternativer Produktion. (Lehenbauer)

Bauern, die betrieblich etwas ändern wollen, auf alternative Produktionsweise, umsteigen wollen (Schaf, Flachs, Veredelung der Rohprodukte auf dem Hof) sind angewiesen auf Beratung. Eine etablierte Institution wie die Kammer macht keinen Unterschied zwischen Bauern in Gunstlage und solche in der Ungunstlage Waldviertel (Klima, Bodenbeschaffenheit). Weil diese bei der Mengenproduktion nicht schritt halten können, gilt es Möglichkeiten alternativer Produktion aufzuzeigen. Das macht die BWI.

Artikel aus: Lebenszeichen – Initiativen aus dem Waldviertel
Text Peter Sitzwohl, Fotos Dieter Kurzmann; Hsg. Waldviertler Bildungs- und Wirtschaftsinitiative BWI

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